Samstag, 30. Mai 2020

Vollbremsung und Aktivierung des Umkehrschubs

Wien und die Folge(n)...


Mitte März stand eigentlich die Jahreshauptversammlung der ÖAV Weitwanderer an, was in den letzten Jahren immer der Aufhänger für ein nettes (verlängertes) Wochenende bei Weitwander- und/oder Geocaching- und/oder alten (aus fränkischen Gefilden) Freunden in Wien war.

Dieses Jahr sollte sogar noch ein "Familientreffen des organisierten Ge(h)brechens" mit einigen extra aus der Ferne angereisten München-Venedig- bzw. Graz-Monaco-Wanderern hinzu kommen.


Allen Unkenrufen zum Trotz, machten wir uns also am Freitag, den 13. per Bahn auf den Weg nach Wien.

Es zeichnete sich Corona-bedingt bereits ab, daß es kein "normaler" Wien-Besuch werden würde, wir uns mit den Freunden eher mit etwas Abstand und vorwiegend im Freien begegnen würden - innerstädtische oder gar innergeschäftliche Menschenmassen sind ja aber auch sonst nicht meins - und daß es zu Einschränkungen des öffentlichen Lebens kommen würde.


Angst hatten wir aber auch nicht und im Gegensatz zu den Skigebieten im Westen Österreichs oder auch nur im Vergleich zu (Süd-)Bayern waren die Infektionszahlen und deren Entwicklung in Wien zur Achtsamkeit ermahnend, aber nicht konkret panikerregend.

Die üblichen Umarmungen der langjährigen und schon wieder seit mindestens einem halben Jahr nicht gesehenen Freunde fiel somit aus, unsere Unterbringung (diesmal bei Astrid und Martin - vielen Dank nochmal und auch an die anderen "Anbieter") in separaten Räumlichkeiten und die gemeinsamen Aktivitäten durch Wien und raus ins Grüne bei passendem Wetter ließen nochmal richtig Energie tanken.

Mittags dann die Presse-Konferenz von Kanzler Kurz und die Maßnahmen-Ankündigungen für die Folgewoche.

Nun, ich lauschte genau und versuchte auch "zwischen den Zeilen" Intentionen und potentiell weitere Salami-Taktik-Maßnahmen zu erahnen, wie es ja mit leichtem Versatz dann auch ähnlich in Bayern passieren sollte, denn bis Sonntag Mittag mußte ich mich entscheiden:
Neues Ticket kaufen und mit der besseren Hälfte direkt nach Erlangen zurückreisen oder die eigentlich geplante, einsame Winterbegehung in der südlichen Steiermark angehen.

Letztlich trennten wir uns am Wiener Hauptbahnhof und ich machte mich auf den Weg in den steirischen Zipfel von Bad Radkersburg an die slowenische Grenze.

Um zwischendurch die Frage einer Ortsansässigen nochmal bildlich zu beantworten:


Zwischengehalten. Letztlich doppelt. :-)

Nachdem es im Sommer 2019, im Anschluß an unserem obligatorischen Weltraumaeffchen-Event-Wien-Besuch, schon nicht geklappt hatte, wollte ich nun zum Lückenschluß am Südalpenweg WWW03 aufbrechen.
Dort habe ich seit 2014, als ich erstmal mit dem Weit-Wander-Wege-Netz in Österreich in Kontakt kam, schließlich noch eine Rechnung offen: Dem Mariazeller Weg (Steirischer WWW06) ab Graz vier Tage folgend, war ich in jener Gegend damals auf meinem "direkten" Weg ans andere Ende der Alpen bei Eibiswald auf den 03er (bzw. dessen dortige Variante) gen Westen eingebogen: Nach Monaco.

Soweit der Plan.
Das Wetter sollte (insbesondere für März) perfekt werden: Blauer Himmel. Sonnenschein. Angenehme Wandertemperaturen.
Fünf Wandertage Zeit.


Dann kam die entsprechende SMS von Frank_Z (zwischenzeitlich von Wien nach Bamberg weitergereist) und die Eilmeldungen über sämtliche Nachrichten-Ticker: Deutschland wird bis zum nächsten Morgen die (meisten) Landesgrenzen schließen.

Okay, mir war sofort klar: 
  • Mit deutschem Ausweis und Pass in der Tasche, würden bayerische Grenzschützer mich wohl egal unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt nicht an einer Einreise hindern.
  • Würde der Grenz-überschreitende Verkehr komplett eingestellt, würde ich eben zu Fuß "rübermachen".
  • Die Unterkunfts-/Beherbergungs-Situation für die Steiermark war auch klar: Keine externen Restaurant-Gäste mehr, Lebensmittel-Läden weiterhin offen, Bewegungseinschränkungen (interessanterweise aber explizit nur für österreichische Staatsangehörige) und im Unterschied zu Tirol keine generellen Schließungen von Pensionen, Gasthöfen und Hotels.
  • Ach, und in knapp 13 Minuten würde ich in Graz Hauptbahnhof zum Umsteigen ankommen.
Somit konnte ich aller Ruhe die Situation, rekursiv mögliche nächste Entwicklungen und deren jeweilige abzuleitende Konsequenzen durchgehen.

Es gab genau EIN Problem-Szenario für mich als "Fußgänger":
Einstellung des inner-österreichischen Zug-Fern-Verkehrs zum Zeitpunkt der geplanten Rückreise.
Dann wäre ich in der südöstlichen Steiermark ca. 300 Kilometer Luftlinie (mit etwas Alpen dazwischen) von der Grenze zu Bayern  und somit zu Fuß "einige Tagesmärsche" im Spätwinter bei ggf. unsicherer werdenden Übernachtungsmöglichkeiten entfernt.

Als Sicherheits-Fanatiker und praktizierender Risiko-Minimierer war das der Punkt, wo (geographisch) und als (zeitlich) ich die Notbremse zog.
Naja, natürlich nur im Geiste und nicht real die des Zuges ;-)

Über die (wie sich später ärgerlicher Weise herausstellte: überflüssige und unnötig kostspielige) Odyssee, an ein neues Rückfahr-Ticket zu kommen, verliere ich wegen des (auch 2,5 Monate später) noch laufenden Verfahrens jetzt mal keine weiteren Worte.
Jedenfalls saß ich kurz danach im nächsten Zug zurück nach Wien und in der Folge ging es mit einem IC per Direktverbindung weiter nach Erlangen. Die Stimmung im überfüllten Zug Wien - Rostock (mit symptomatischem Zugnamen) war gespenstisch, denn ich war bei weitem nicht der einzige "Flüchtling".


Die Zeit im Zug nutzte ich, um die fünf über ein Buchungsportal reservierten und teilweise auch bereits angezahlten Quartiere zu informieren, daß ich leider (recht) kurzfristig absagen muß. Das Quartier in Bad Radkersburg erhielt die Absage von mir nur zwei Stunden vor der avisierten Ankunft.


An dieser Stelle möchte ich ausnahmsweise mal namentlich einige Beherbergungsbetriebe direkt benennen und positiv hervorheben, denn sämtliche Gastgeber (von Pension bis Wellness-Hotel, von Bad Radkersburg bis Eibiswald, von wenige Stunden bis mehrere Tage Vorlauf) haben entgegen der Reservierungsbedingungen explizit und komplett auf Storno-Gebühren verzichtet:

Es versteht sich von selbst, daß ich diese Betriebe versuchen werde zu beehren, wenn ich denn mal den "Lückenschluß" am 03er künftig angehe - und sei es mit 710 km "Vorlauf" über den 07er vom Nebelstein im Waldviertel aus :-)

Nun sage noch einer, ich wäre nachtragend (manchmal verblassen heute schon* Erfahrungen bzgl. lebenswichtiger Dinge wie Essen/Trinken/Unterkunft, die gerade mal 30-35 Jahre her sind). 
Ich kann mich also auch sehr positiv und dankbar äußern und negativ doch nur, wo es unstrittig angebracht ist, wie beispielsweise bzgl. folgender No-Go-Areas (interessanterweise beglückwünscht mich Google ab und an zu meinem negativen Feedback, wenn wieder eine bestimmte Anzahl an Leuten dies hilfreich fand *lol* ;-)
  • Puez-Hütte, Dolomiten, 2008
  • Gasthof Renko-Stiegler, Ferlach/Kärnten, 2014
  • Ottokar-Kernstock-Haus, Rennfeld/Steiermark, 2017
  • Alois-Günther-Haus, Steiermark, 2017

Nach insgesamt knapp 13 Stunden in Zügen (die Rückenschmerzen waren schlimmer als am ersten untrainierten Tag einer Weitwanderung mit 25 kg auf dem Buckel) erreichte ich kurz nach 01:00 Uhr nachts Erlangen, am frühen Morgen folgte ein Groß-Einkauf an Lebensmitteln für 10-tägige komplette Selbst-Isolation, Urlaubs-Storno und Start am Schreibtisch ins "Home-Office" bis auf weiteres (gut, daß ich seit Sommer 2019 räumlich gut aufgestellt bin)...

Es hat also wieder nicht sollen sein, mit mir und diesem Stück 03er.
Aber eines ist gewiss: Ich werde wieder kommen :-)

In diesem Sinne: Haltet's die Ohren steif und bleibt's g'sund !



* beispielsweise kann ich mich heute schon gar nicht mehr** direkt an den Vorfall erinnern, als ich Anfang der 1980er Jahre im Restaurant "Schöne Aussicht"*** in Finkenberg, Zillertal/Tirol mal geradewegs in die Hotel-Küche marschieren mußte, um den Koch persönlich nach dem Verbleib meines bestellten Schnitzels und den weiteren angedachten Maßnahmen gegen die zunehmenden, Hunger-bedingten negativen Schwingungen meines Gemütszustandes einzuvernehmen


** kürzliche Vorfälle, wie jener aus dem Sommer 2007 sind da logischerweise noch ganz anders präsent: Sonntag Nachmittag Ortszeit (GMT-5) im Rechenzentrum des Children's Hospital of Alabama, Birmingham/Südstaaten USA: 
mittlerweile dringlichstes Thema der transatlantischen Telefon-Konferenz zwischen IT-Verantwortlichen der Klinik, Siemens-Manager vor Ort und den vorerst zu diesem Thema ratlosen, zugeschalteten Experten aus Berlin und Fürth/Deutschland: augenscheinlich zunehmende Anzeichen von K2-Unleidlichkeit, die wohl selbst durch die Telefonleitung bis Berlin bereits deutlich zu spüren waren

Irgendwann hat Stefan K. aus Fürth dann mal die (scheinbar) rhetorische Frage gestellt, wann ich zuletzt etwas zu Essen bekommen habe.
Noch während der Aussprache des Satzes setzten hektische Aktivitäten in den USA in Richtung eines nahegelegenen 24/7-Asia-Schnell-Imbisses ein, die mutmaßlich die termingerechte und vollfunktionsfähige Inbetriebnahme des Prototyp-Systems am nächsten Morgen, die Unversehrtheit anderer klinischer Server in benachbarten 19''-Rack-Schränken und einige Menschenleben retteten...


*** Apropos, zu diesem Lokal gibt es noch eine andere (traumatische: deswegen kann ich mich DARAN heute noch erinnern) Geschichte im Bewirtungs-Kontext aus jener Zeit, über die - für mich völlig unverständlich - andere (unbeteiligte) Menschen sogar schon lachen konnten (evtl. weil ich mich heute beim Erzählen noch so echauffieren kann, als wäre es erst gestern gewesen ?):
Als ich in meiner Kindheit dort mal mit meinen Großeltern zum Essen war, stellte die Bedienung mir halbe Portion vor die Nase und MEIN Schnitzel der Oma.
Mir sind wohl gehörig die Gesichtszüge entgleist und in meinen Augen hätte diese ungehörige Person wohl etwas in der Art "You are fired." ablesen können.
Hätte es schon Handys gegeben, der Bub wäre wohl versucht gewesen, Amnesty International, die Familien-Rechtsschutzversicherung zwecks juristischer Ad-hoc-Beratung und den Kinderschutzbund (in dieser Reihenfolge) zu verständigen.
Geistesgegenwärtig realisierte meine Großmutter instinktiv die Situation und konnte schlimmere Folgen für das Haus durch einen reflexartigen Dreieckstausch der Teller gerade noch verhindern.